Der Hofrat und ordentliche
Professor der Oekonomie in Göttingen, Johann Beckmann, veröffentlichte
1792 seine "Beiträge der Erfindungen". Im 3. Bande steht eine
Abhandlung "Spitzen, Kanten". Dort wird weit ausholend vom Klöppeln
berichtet. Mit begründeter Absicht wird es als "Knüppeln"
bezeichnet. Bei der Frage nach der Erfindung gelangt der Schreiber
zu dem Urteil:
"Ich wage zu behaupten, daß
das Knüppeln der Spitze eine teutsche Erfindung, und zwar erst
aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, ist. Ich halte nämlich
die Erzählung, daß es im Meisnischen Erzgebürge,
zu St. Annaberg von Barbara Christoph Uttmanns Ehefrau, vor dem
Jahre 1561 erfunden worden, solange für wahr, bis sie hinlänglich
widerlegt worden... daß sie die Erfinderin dieser Kunst sei,
bezeugen alle Annalisten des Sächsischen Erzgebirges einmütig."
Dabei nennt er in der Fußnote Jenisius (1605), Melzer (1732),
Tob. Schmidt (Zwickau 1656), Christian Lehmann (1688). Aber ...
alle die Genannten bestätigen seine Ansicht, Barbara
Uttmann hab das Klöppeln erfunden, gerade nicht; womit
seine Auffasung und alle späteren, die auf ihn bauen, fallen.
(Einklammerungen v.V.)
Auch spätere Chroniken,
die eigentlich ihrer Jugend wegen schon nicht in Frage kommen, schweigen
sich aus. (Georg Kleinhempel 1735, Jobin 1698.) Stübel, ein
Zeitgenosse Kleinhempels, gehört zu den wenigen, die nicht
die älteren Chronisten einfach abschrieben. Er arbeitete selbständig,
wie einzelne nur bei ihm auftretende Nachrichten beweisen. Er berichtet
in seiner, heute in der Landesbücherei liegenden Chronik in
den Annalen unter 1575:
„Den 15. Januar starb Frau
Barbara, Christoph Uttmanns Wittib, eine Tochter Heinrichs v. Elterlein,
ein reiches Weib vom Berckwerck, glückliche Bortenhändlerin
und Wohltäterin des Armuths, eine Mutter 64 Kinder und Kindeskinder.“
Erst spätere Zeiten haben
die „Bortenhändlern“ mit der „Wohltäterin“ verbunden.
Die zweite Benennung bezieht sich auf Stiftungen, wie die Stadtrechnungen
aus den Jahren 1580 und 1581 zeigen!
„Post Paschatae 1581 Einnam
an New auffgenommen zinßbaren Hauptsummen. 35 fl je 100 fl
haben frawen Barbara Christoph Vttmann Erben, zuvolge Irenn hinterlassenen
Testament, den dreien Almosen, Alß dem Hospithal, Reichen
vnd Schüller Almosen (davon einem jeden insonderheit zum dritten
theil 33 fl 7 gl zustendigk) zu guth beym Rath vff Zinß ausgethan.“
In der Zeit der Romantik, nach
der Veröffentlichung Beckmanns, geht die Hochflut der Legendenbildung
los. Auf Beckmann folgt zunächst das „Journal für Fabrik,
Manufaktur und Mode“ Jahrgang 1799 Abhand. V, unterzeichnet mit
Sch..r. Auch diese Ausführungen sind sehr lesenswert; aber
sie fußen auf dem Vorgänger.
Auf Grund solcher „wissenschaftlichen“
Untersuchungen errichtete ein Eisenstuck das Denkmal auf dem Annaberger
Friedhofe mit der irreführenden Inschrift. Und gleichzeitig
bemächtigten sich die 1822/1834/1836/1843 && erscheinenden
Sagenbücher der Angelegenheit. Jedes bringt eine neue, immer
aus den Fingern gezogene Leseart. Leider ist hier kein Platz, darauf
einzugehen.
Aus den wenigen angeführten
Tatsachen geht hervor: Bis zur letzten Privatcbronik (Jobin) wird
von der später behaupteten Bedeutung Barbaras kein Wort gesagt,
obgleich Jenisius (auf dem die späteren Chronisten alle fußen)
nicht nur ein Zeitgenosse, sondern sogar ein späterer Verwandter
Barbaras war. Die Behauptung Beckmanns ist ein Fehlschuß.
Da seine Nachfolger seine irrtümlichen Darstellungen nur wiederholen,
sind sie ebenfalls zurückzuweisen. Was noch später geschrieben
worden ist, kann überhaupt nicht herangezogen werden. Deshalb
haben sich in neuerer Zeit sorgsame Schriftsteller eines besonneneren
Urteils befleißigt. Zu ihnen gehören Finck in späteren
Aeußerungen, Fröbe und andere.
Das oft zitierte, aber wenig
eingesehene Schreiben der Bortenhändlerinnen, ein bestellter
Entwurf, zeigt kein Datum, und die Unterschriften sind keine solchen,
sondern nur eine Reihe vorgesehener, die der beauftragte Verfasser
des Schreibens daruntersetzte!
Viele in unserer Zeit auftauchende
Nachrichten scheinen aus der Heimat der ersten Legende zu stammen,
wie ich beobachten mußte. Und noch am 11. Januar 1956 (!!)
äußerte sich ein Sprecher des Leipziger Rundfunks in
einer Erzgebirgsstunde: „Barbara Uthmann aus Flandern“.
|