Barbara Uthmann und ihre Zeit
von Reinhart Unger
Anhang 2
Die Uthmann-Legende und die Zeit ihrer Entstehung
Von Hermann Lange
(Nachdruck aus "Kultur und Heimat" 3/56)

Der Hofrat und ordentliche Professor der Oekonomie in Göttingen, Johann Beckmann, veröffentlichte 1792 seine "Beiträge der Erfindungen". Im 3. Bande steht eine Abhandlung "Spitzen, Kanten". Dort wird weit ausholend vom Klöppeln berichtet. Mit begründeter Absicht wird es als "Knüppeln" bezeichnet. Bei der Frage nach der Erfindung gelangt der Schreiber zu dem Urteil:

"Ich wage zu behaupten, daß das Knüppeln der Spitze eine teutsche Erfindung, und zwar erst aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, ist. Ich halte nämlich die Erzählung, daß es im Meisnischen Erzgebürge, zu St. Annaberg von Barbara Christoph Uttmanns Ehefrau, vor dem Jahre 1561 erfunden worden, solange für wahr, bis sie hinlänglich widerlegt worden... daß sie die Erfinderin dieser Kunst sei, bezeugen alle Annalisten des Sächsischen Erzgebirges einmütig." Dabei nennt er in der Fußnote Jenisius (1605), Melzer (1732), Tob. Schmidt (Zwickau 1656), Christian Lehmann (1688). Aber ... alle die Genannten bestätigen seine Ansicht, Barbara Uttmann hab das Klöppeln erfunden, gerade nicht; womit seine Auffasung und alle späteren, die auf ihn bauen, fallen. (Einklammerungen v.V.)

Auch spätere Chroniken, die eigentlich ihrer Jugend wegen schon nicht in Frage kommen, schweigen sich aus. (Georg Kleinhempel 1735, Jobin 1698.) Stübel, ein Zeitgenosse Kleinhempels, gehört zu den wenigen, die nicht die älteren Chronisten einfach abschrieben. Er arbeitete selbständig, wie einzelne nur bei ihm auftretende Nachrichten beweisen. Er berichtet in seiner, heute in der Landesbücherei liegenden Chronik in den Annalen unter 1575:

„Den 15. Januar starb Frau Barbara, Christoph Uttmanns Wittib, eine Tochter Heinrichs v. Elterlein, ein reiches Weib vom Berckwerck, glückliche Bortenhändlerin und Wohltäterin des Armuths, eine Mutter 64 Kinder und Kindeskinder.“

Erst spätere Zeiten haben die „Bortenhändlern“ mit der „Wohltäterin“ verbunden. Die zweite Benennung bezieht sich auf Stiftungen, wie die Stadtrechnungen aus den Jahren 1580 und 1581 zeigen!

„Post Paschatae 1581 Einnam an New auffgenommen zinßbaren Hauptsummen. 35 fl je 100 fl haben frawen Barbara Christoph Vttmann Erben, zuvolge Irenn hinterlassenen Testament, den dreien Almosen, Alß dem Hospithal, Reichen vnd Schüller Almosen (davon einem jeden insonderheit zum dritten theil 33 fl 7 gl zustendigk) zu guth beym Rath vff Zinß ausgethan.“

In der Zeit der Romantik, nach der Veröffentlichung Beckmanns, geht die Hochflut der Legendenbildung los. Auf Beckmann folgt zunächst das „Journal für Fabrik, Manufaktur und Mode“ Jahrgang 1799 Abhand. V, unterzeichnet mit Sch..r. Auch diese Ausführungen sind sehr lesenswert; aber sie fußen auf dem Vorgänger.

Auf Grund solcher „wissenschaftlichen“ Untersuchungen errichtete ein Eisenstuck das Denkmal auf dem Annaberger Friedhofe mit der irreführenden Inschrift. Und gleichzeitig bemächtigten sich die 1822/1834/1836/1843 && erscheinenden Sagenbücher der Angelegenheit. Jedes bringt eine neue, immer aus den Fingern gezogene Leseart. Leider ist hier kein Platz, darauf einzugehen.

Aus den wenigen angeführten Tatsachen geht hervor: Bis zur letzten Privatcbronik (Jobin) wird von der später behaupteten Bedeutung Barbaras kein Wort gesagt, obgleich Jenisius (auf dem die späteren Chronisten alle fußen) nicht nur ein Zeitgenosse, sondern sogar ein späterer Verwandter Barbaras war. Die Behauptung Beckmanns ist ein Fehlschuß. Da seine Nachfolger seine irrtümlichen Darstellungen nur wiederholen, sind sie ebenfalls zurückzuweisen. Was noch später geschrieben worden ist, kann überhaupt nicht herangezogen werden. Deshalb haben sich in neuerer Zeit sorgsame Schriftsteller eines besonneneren Urteils befleißigt. Zu ihnen gehören Finck in späteren Aeußerungen, Fröbe und andere.

Das oft zitierte, aber wenig eingesehene Schreiben der Bortenhändlerinnen, ein bestellter Entwurf, zeigt kein Datum, und die Unterschriften sind keine solchen, sondern nur eine Reihe vorgesehener, die der beauftragte Verfasser des Schreibens daruntersetzte!

Viele in unserer Zeit auftauchende Nachrichten scheinen aus der Heimat der ersten Legende zu stammen, wie ich beobachten mußte. Und noch am 11. Januar 1956 (!!) äußerte sich ein Sprecher des Leipziger Rundfunks in einer Erzgebirgsstunde: „Barbara Uthmann aus Flandern“.

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Vorwort
(Peter Rochhaus)
Barbara Uthmann und ihre Zeit
(Reinhart Unger)
Quellenangabe
Anhang 1
Beschwerde Annaberger Bürgerinnen (Transkription: Reinhart Unger)
Anhang 2
Die Uthmann-Legende und die Zeit ihrer Entstehung (Hermann Lange)
Anhang 3
Das "Bild der Barbara Uthmann" und ihre angebliche Handschrift (Hermann Lange)
Anmerkung
(Annegret Münch)

 Reinhart Unger
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